Die Risiken eines zweigleisigen Ausbaus der Siegstrecke überwiegen

03.12.2019

CDU und Grüne setzen auf Neubau einer Bahntrasse für den Güterfernverkehr

Mit Verwunderung reagieren die Kreistagsfraktionen von CDU und Bündnis 90/DIE GRÜNEN auf die aktuelle politische Initiative im Kreistag, die einen durchgehenden zweigleisigen Ausbau der Siegstrecke fordert, um so den Öffentlichen Personennahverkehr zu för-dern. Die Siegstrecke führt von Köln über Troisdorf, Siegburg, Hennef und Windeck-Au nach Siegen. Infolge von Kriegsschäden sind zwei Streckenabschnitte von jeweils fünf Kilometern Länge nur eingleisig in Betrieb. Die jetzige Forderung nach einem Ausbau der eingleisigen Abschnitte wird entwickelt von der Kreistagsfraktion DIE LINKE und von den beiden Vertreterinnen der Piraten und der Freien Wähler. Sie verfolgt das Ziel, die Anzahl der Personenzüge zu erhöhen, um im Zeichen des Klima-schutzes mehr Menschen zum Umstieg auf den Öffentlichen Personennahverkehr zu bewegen.

Im Jahr 2015 hatte der Ausschuss für Planung und Verkehr nach sorgfältiger Beratung einem zweigleisigen Ausbau entlang der Sieg mehrheitlich eine Absage erteilt. Ungeteilt ist das akute und energische Interesse, alle Chancen zu einer Mobilitätswende im Horizont einer Verbesserung des Klimas zu nutzen und den Personenverkehr auf der Schiene zu fördern: nicht zuletzt mit der Vergünstigung von Fahrkarten im Fernverkehr infolge der beschlossenen Senkung der Umsatzsteuer. Allerdings – und das war Grund für die mehrheitliche Absage im Jahr 2015 – ist eine entsprechende Lenkungswirkung durch einen zweigleisigen Ausbau der Siegstrecke alles andere als sicher. Im Gegenteil: Es besteht die Gefahr, dass ein solcher Ausbau in erster Linie zur Vorlage wird, mehr Güterzüge durch das Siegtal fahren zu lassen.

Diese Gefahr hat ihr Auslösezentrum in der Zielsetzung des Verkehrswegeplans des Bundes, die Siegstrecke als Entlastungsstrecke für den Güterverkehr auszubauen, der bislang durch das Rheintal fährt. Demzufolge wird ein durchgehender zweigleisiger Ausbau nur (dann) durch den Bund finanziert, wenn davon der Schienengüterverkehr profitiert.

„An diesem Bedingungsgefüge hat sich seit 2015 substanziell nichts geändert. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme, eine vollständige Zweigleisigkeit der Siegstrecke würde weit überwiegend dem Schienenpersonennahverkehr zugutekommen, eine höchst wackelige Hoffnung“, teilen die Vorsitzenden der Kreistagsfraktionen von CDU und Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Dr. Torsten Bieber und Ingo Steiner, mit.

Neubau für Güterfernverkehr gefordert:

Auf der anderen Seite: die Rheinstrecke ist bereits als überlastet eingestuft, so dass dringend Ausweichstrecken benötigt werden. Die Überlegungen, die Strecke Hagen – Gießen als Entlastungsstrecke für das Rheintal für den Güterfernverkehr auszubauen, bestehen weiter. Die Siegstrecke wäre dann eine mögliche Zubringerstrecke.

Mehr Güterzüge auf der Siegstrecke würden allerdings zu keiner nennenswerten Entlastung der völlig überlasteten Bahnstrecken rechts und links entlang des Rheins führen. Im Zweifel wären dies zusätzliche Züge, die die Probleme der überbeanspruchten Rheinschiene noch überdies auf die Siegstrecke übertragen würden. Allein schon wegen ihrer Topographie ist diese aber nur sehr bedingt für Güterverkehr geeignet. In der Abwägung überwiegen für zahlreiche Anlieger im Siegtal eindeutig die Risiken gegenüber den Chancen für eine bessere Anbindung des Personenverkehrs. Die Bahnlinie durchschneidet zahlreiche Orte, in denen die Menschen bereits mit dem Lärm des Flughafens Köln/Bonn zu tun haben.

„Um wirklich eine Entlastung des Rheintals zu erreichen, ohne umgekehrt das Siegtal zu belasten, muss eine Neubaustrecke für den Güterverkehr errichtet werden“, fordern die Vorsitzenden von CDU und GRÜNEN: mit den dringend notwendigen Kapazitäten für die Verlagerung und Entlastung der Straße. Dafür spricht auch, dass beim Neubau von Schienenstrecken ein gesetzlicher Anspruch auf Lärmvorsorge besteht. Und zudem: Das konkrete Szenario für die Neubaustrecke plant mit einem lagen Tunnel, der die Belastung für Mensch und Natur reduziert (Westerwald-Taunus-Tunnel).

Wer nun den zweigleisigen Ausbau der Eisenbahnstrecke und zugleich zwingend einen wirksamen Schallschutz entlang der bewohnten Gebiete fordert, verkennt weiterhin die Rechtslage: An bestehenden Strecken können Anwohner – anders als bei der Lärmvorsorge im Zuge eines Neubaus – lediglich einen Anspruch auf aktiven oder passiven Lärmschutz geltend machen, wenn eine „wesentliche Änderung“ der Eisenbahnstrecke vorgenommen wird. Das heißt für die Strecke an der Sieg, dass maximal an den zwei kurzen Streckenabschnitten der Lärmschutz erreicht werden könnte, wo neu zweigleisig ausgebaut würde. Die anderen Streckenabschnitte hingegen wären deutlich erhöhter Zugbelastung ohne zusätzlichen Lärmschutz ausgesetzt. Denn die Lärmsanierung bei bestehenden Strecken ist gesetzlich nicht unterbaut. Und schließlich: Neben dem Lärmschutz müssten im Zuge eines zweigleisigen Ausbaus in erforderlichem Maße höhengleiche Bahnübergänge beseitigt und durch Unter- bzw. Überführungen ersetzt werden. Zudem fordern die Antragsteller sogar Querungen für den Wildwechsel.

„Wie dieses ganze Maßnahmenbündel finanziert werden soll, lässt der vorliegende Antrag aus guten Gründen unbeantwortet. Vorhandene Gelder sollten jedenfalls für die Neubaustrecke und für den Ausbau des ÖPNV-Angebots eingesetzt werden“, so Dr. Bieber und Steiner. 
„Wir haben das Angebot im Öffentlichen Personennahverkehr entlang der Sieg in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut – auch ohne einen Ausbau der bislang eingleisigen Streckenabschnitte. Bei der vorhandenen Infrastruktur haben wir erreicht, dass mehr Personenzüge auf der Siegstrecke verkehren und so auch neue Verbindungen geschaffen wurden, beispielsweise zum Flughafen Köln/Bonn. Diesen Weg werden wir fortsetzen.“

Mehr zum Thema